Geschichte des Einhorns - Teil 2

Ich betrat den Wald, der mir wieder so vertraut,
lange haben meine Augen diese Schönheit nicht geschaut,
nicht gerochen die Farben der Büsche und Bäume,
die Ruhe, die Stille, sie versetzt mich in Träume.

Eine große Eiche steht dort, mitten auf einer Lichtung,
ein großer alter Baum, und ich geh' in seine Richtung,
setzte mich nieder, lehne mich an den Stamm,
schaue in den Himmel, und schließe beruhigt die Augen dann.

Durch seine grüne Blätterkrone dringt ein Fächer aus Sonnenlicht,
ich spüre, wie sie mich berühren, die wärmenden Finger aus Licht,
höre den Frühlingswind flüstern und in den Blättern rauschen,
möchte diesen friedlichen Moment nicht missen, nicht tauschen.

Kein Denken an Aufgaben und Pflichten, nicht an Morgen,
kein Denken an die Neuigkeiten, welche bereiten mir Sorgen:
wieder sind Bomben explodiert, wahllos Menschen verletzt und tot,
wieder wurden Menschen aus Niedertracht gehetzt, unnütze Not,

wieder hat sich ein junger Mensch sinnlos das Leben genommen,
von falschen Idealen verführt, verzweifelt, nicht klargekommen,
wieder hat ein Diktator, nur aus Gelüsten nach Macht,
ein ganzes Volk fast an den Rand der Existenz gebracht.

Seit Anbeginn der Zeiten haben Menschen sich gegenseitig umgebracht,
hat denn in der ganzen langen Zeit niemand darüber nachgedacht?
sind den Neid, Gier und Mordeslust so tief in unseren Genen verborgen?
Muss das denn wirklich so sein?, darüber mache ich mir Sorgen.

Trotz der friedlichen Umgebung kann ich diese Gedanken nicht verdrängen,
spüre die Feindlichkeiten in der Welt, die Masse an Zwängen,
doch die Frage nach dem Warum, die stellt sich mir weiterhin,
und ich frage mich: "Worin liegt eigentlich des Lebens Sinn?"

"ist es nicht erstrebenswerter, nach Harmonie zu suchen,
als hinter vorgehaltener Hand über den Nachbarn zu fluchen?",
"Ist es nicht lebenswerter, ohne Arg zu begegnen einem Fremden,
als ihn von vornherein böse Wünsche entgegen zu senden?"

"Ist es nicht einfacher, sein Leben friedlich zu gestalten,
ohne Kampf, Krieg und Not, ganz ohne sinnlose Gewalten?"
"Warum nicht suchen nach dem Warum überhaupt, dem tieferen Sinn,
dem Grund, warum wir existieren, die Frage, was war vor dem Anbeginn."

Und während ich so denke und vor mich sinne,
erklingt plötzlich in mir eine bekannte Stimme,
sie flüstert mir zu: "Öffne die Augen, was Du getan schau Dir an",
Ich sehe auf, erkenne zwei Gestalten, die langsam kommen heran,

so wie damals, als der Hase mich zum Waldsee führte,
erkenne ich's wieder, was so mein Herz berührte,
das Einhorn ist's, das mir seine Geschichte gezeigt,
lautlos scheint es herüber zu schweben, das Haupt geneigt,

ich erkenne es wieder, es ist damals das Selbe gewesen,
und neben ihm, halb verdeckt von dem Zauberwesen,
dort geht, auch ganz weiß und mit einem leuchtenden Horn gesegnet,
ein junges Fohlen - und ich begreife, wem ich hier begegnet.

"ja", höre ich sanft die Stimme wieder in mir sagen,
"Es wurde neu geboren, dran zu glauben wollte ich fast nicht wagen",
"Und doch ist's geschehen, ich bin nicht mehr das letzte der Welt",
"Der Zauber der Harmonie mit allem ist neu erwacht, und er hält",

"Gefestigt durch Gedichte und Geschichten wie Deine", sagt es weiter zu mir,
"Die Menschen sind besser als ich dachte, ich hab's erkannt, und Danke Dir",
"Das ist so nicht wahr", höre ich mich sagen,
"Viele sind gut, es ist nur so, dass sie es nicht wagen",

"Auszusprechen was sie Denken, so zu handeln wie sie es wollen",
"Ihnen, nicht mir, musst Du den Dank dafür zollen",
"Deine Geschichte habe ich nur weitergetragen in die Weiten",
"Viele haben zugehört, vermissen diese Zeiten",

dann beuge ich mich zu dem Fohlen herab, berühre sein Fell,
streichle es sanft, und sein kleines Horn leuchtet ganz hell,
seine Mähne ist aus seidenen Fäden, scheint wie Sternen gemacht,
"Wie kleine Sonnen auf einer Schnur", habe ich bei mir gedacht,

die großen Augen des jungen Einhorns schauen mich an,
Sterne sin darin zu sehen, sie glitzern auf dann und wann,
und eine kleine Träne rinnt heraus aus des Tieres Auge,
"Ich bin noch schwach", höre ich, "vielen Menschen fehlt noch der Glaube",

Ich erzähle dem Geschöpf, was ich habe in der Welt gesehen,
sage im die Gedanken der Leute, deren inneres Flehen,
wenn auch versteckt, streben viele nach Harmonie und Frieden in diesem Land,
dann wische ich die Sternenträne fort mit meiner Hand,

und als ich sie zurückziehe und die benetzte Stelle betrachte,
scheint sie zu leuchten ein wenig, und ich dachte:,
"Wird dieses Funkeln bleiben an meinen Händen?",
"Was hat es damit auf sich, was wird es bewenden?".

Kaum habe ich diese Worte gedacht zu Ende,
spüre ich ein leichtes Stupsen an meiner Lende,
ich sehe hinab zu dem Fohlen, das mich so berührte,
und plötzlich war da noch eine Stimme, die ich spürte,

"wisch sie nicht fort, lass sie verdunsten auf Deiner Haut",
"Energie ist darin, aus dem Deine Welt, die Sterne, einfach alles gebaut",
ich sehe wie die Träne wird zu einem leuchtenden Staub, ganz trocken,
er haftet ganz fest, und ich höre das Fohlen leise frohlocken,

"Sie ist nun zu Sternenstaub geworden, dieser kann bewirken Wunder",
"und wer Böses Dir will, den wird er verbrennen wie Zunder",
"Beschützen wird er Dich, für die Zeit Deines Lebens",
"und wer wie Du ist, gleichen Denkens und Strebens",

"Den berühre an den Händen, damit etwas Staub an ihm bleibe",
dann sagte die Stute: "Nun geh' fort, nicht länger hier verweile",
"Geh' zurück in Deine eigene Welt, mache weiter wie bisher",
"doch ab und an, komm zurück, komm wieder hierher",

Dann verschwanden die beiden Fabelwesen, leise wie sie gekommen,
doch der Zauber der Begegnung, er ist mir nicht entronnen,
gehe zurück durch den Wald, hinein in die einbrechende Dunkelheit,
zurück in die Städte, Menschen zu suchen in nächster Zeit,

die mit Ihren Gedanken an der Geburt des neuen Einhorns beteiligt waren,
die der Mühe anderen zu helfen in Not sich nicht ersparen,
die Welt mit offen Augen und Sinnen betrachten, sich nicht stellen Taub,
Ihnen werde ich begegnen, und geben von meinem Sternenstaub,

um ihn nach überall in die Welt zu tragen, weithin zu verteilen,
und die kleinen Narben unseres Planeten vielleicht damit zu heilen,
etwas Dunkelheit und Schatten zu verbannen, zu vertreiben,
und bis es soweit ist, weiterhin Geschichten und auch Gedichte schreiben.

©Chris37 - HP

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