Eine Geschichte von einem Mord, so finster, so gemein, wie nur die menschliche
Seele es sein kann. Sie ereignete sich vor mehreren Jahrhunderten in Bulgarien.
Der Ort der Tat war ein schäbiger Weiler, eine Ansammlung windschiefer
Hütten zu beiden Seiten einer winzigen Dorfstraße. Hinter den Feldern
der Dorfbewohner, erstreckte sich kilometerweit dunkler und wohlriechender Kiefernwald,
der Überzeugung nach, von Hexen und Dämonen heimgesucht. Die Dörfler
waren arm. Es reichte aber allen für das Überleben.
So geschah es, daß eines Jahres, das Dorf von einer Katastrophe heimgesucht
wurde. Die Brunnen verdarben und das Wasser schmeckte brackig.
Daher mußten die Frauen jeden Tag weite Wege marschieren, um Wasser aus
einem Fluß, nahe einem Kiefernwald, zu holen. Das ganze Dorf sehnte sich
nach dem Herbstregen, der aber einfach nicht kommen wollte.
Mit der Zeit wurden die Menschen krank. Sie steckten sich untereinander immer
weiter an, so daß selbst die Kinder zu leiden hatten.
Doch es kam weiterhin kein Regen und die Menschen begannen zu sterben.
So geschah es, daß die armen Dorfbewohner beschlossen, eine junge Frau
zu opfern, sie in den dunklen Wald zu verstoßen, um die Dämonen und
Hexen zu besänftigen.
Die junge Frau trug diese Entscheidung mit Würde und vergoß keine
Träne.
Sie war sich ihrer Verantwortung bewußt, die sie gegenüber den Kindern
im Dorf trug.
Es war ein wirklich dunkler und unheimlicher Wald, durch den sie schritt. Doch
auf einen Dämon, oder eine finstere Hexe stieß sie nicht. Nur der
Mond leuchtete bei seiner Reise über den Himmel. Plötzlich schien
sich das Waldesdunkel jedoch zu lichten.
Als sie aufblickte, stand ein strahlendes, dunkeläugiges Einhorn vor ihr.
Die jungen Frau sank auf die Knie, und das herrliche Tier kniete sie auch vor
der Frau nieder, um seinen Kopf auf ihren Schoß zu legen. So verharrten
sie beide lange Zeit regungslos, bis sich die Frau erhob und sich, stolz wie
eine Königin, wieder auf den Weg zum Dorf machte. Das Einhorn ging neben
ihr her.
Als dieses seltsame Paar ins Dorf kam, starrten alle Bewohner mit aufgerissenen
Mündern die beiden an.
Das Mädchen ging mit dem Einhorn von einem und daraufhin zum nächsten
Brunnen. Vor jedem Brunnen beugte das edle Tier sein Kopf herab und berührte
mit dem elfenbeinernen Horn die schleimige Wasseroberfläche. Sofort begann
das Wasser zu erbeben, der Schleim löste sich auf, und das Wasser schimmerte
so rein und klar wie das Sonnenlicht. Die Dorfbewohner kamen nun näher,
wollten das zauberhafte Pferd berühren, worauf das zierliche Tier einen
Schritt zur Seite machte, um der jungen Frau näher zu sein.
Dann wurden Stimmen laut, die nach dem neuen Schatz, dem Horn schrien. Sofort
waren alle Gedanken an die zauberhafte Schönheit des Tieres vergessen,
und sie schoben brutal die junge Frau beiseite, hielten sie fest. Erst fielen
sie mit groben Knüppeln über das Tier her.
Dann stießen sie ein Spieß tief in sein Herz.
Noch bevor das Licht in den Augen des sterbenden Tieres brach, waren sie schon
dabei, sein kostbares Horn abzusägen.
In ihren Augen spiegelte sich eine unendliche, beängstigende Gier. Es war
ein langes, blutiges Geschäft, wie sie dem Einhorn die Haut abzogen, die
sich gut zum Schutze gegen Pest verkaufen ließ und sie schlachteten es
anschließend, weil sie nicht genau wußten, ob sie das Fleisch nicht
ebenso teuer umsetzen konnten.
Sofort machten sie sich auf, zum weit abgelegenen Markt, um den neuen Schatz
zu verkaufen. Von der jungen Frau hörte man nie wieder etwas.
Was aus dem Dorf schließlich geworden ist, weiß auch niemand so richtig. Doch wen interessiert es auch, was aus den perfiden Gestalten geworden ist, die das herrliche Tier schlachteten, das sie so selbstlos gerettet hatte.
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