Das kleine Einhorn

Es war einmal ein kleines, wildes Einhorn. Das lebte mit seiner Mutter in einem wunderschönen Wald. Dort sangen die Vögel, die Quellen gurgelten leise vor sich hin und Sonnenlicht flimmerte hellgrün durch die Blätter der Bäume.

Das kleine Einhorn war sehr wild und schrecklich neugierig und es gab nichts in dem Wald, was das Einhorn nicht schon interessiert beguckt hatte. Eines Tages sah es einen wunderschönen Schmetterling. Aus lauter Neugier folgte das Einhorn dem Schmetterling auf eine grüne Wiese mit wunderschönen Blumen. Die blühten in allen Farben, weiß, gelb, lila, rot und pink. Nur eine Blume war rabenschwarz. Das war die Rose des Bösen. Das kleine Einhorn galoppierte dem Schmetterling noch immer freudig hinterher und beachtete die schwarze Rose nicht. Dabei passierte es, dass es mit seinen kleinen Hufen an die schwarze Rose stieß. Da stieg aus der Blüte plötzlich eine Wolke aus grauem Staub, hüllte das kleine Einhorn ein und schwebte mit ihm in ein fremdes Reich.

Es war ein graues, kaltes und steiniges dunkles Reich. Es war das Reich des Zauberers Arras. Dieser konnte sich in jedes Lebewesen verwandeln und er war böse und hinterhältig. Das kleine Einhorn landete vor einem großen dunklen Schloss. Vor dem Eingang hing an einer Kette ein mächtiger roter Drache. Das Einhorn erschrak vor dem Giganten. Aber der Drache sagte: "Fürchte dich nicht vor mir. Ich bin ein Gefangener des Zauberers Arras. Ketten, mit denen ich gefesselt bin, sind mit einem Fluch belegt, sonst könnte ich mich befreien. Aber du kannst mir helfen. Arras trägt einen Schlüssel um den Hals. Das ist der Schlüssel um die Ketten zu lösen und in unsere Welten zurückzukehren." Das Einhorn wollte dem Drachen helfen und außerdem wollte es doch schnell zu seiner Mutter zurück.

Vorsichtig trat es durch das große dunkle Tor und schaute sich um. Ein lautes Schnarchen dröhnte durch alle Räume. Leise folgte das Einhorn dem Schnarchen und sah den Zauberer Arras auf einem Bett aus Drachenhaut liegen. Es fürchtete sich sehr, denn Arras sah sogar im Schlaf sehr grimmig aus. Aber der Schlüssel an seinem Hals, von dem der Drache gesprochen hatte, war da und schließlich wollte das kleine Einhorn nach Hause. Bestimmt suchte die Mutter es schon. Aber wie kam es an den Schlüssel? Es musste noch einmal in Ruhe nachdenken! Es verließ das Zimmer und gelangte in einen großen Saal.

Auf einmal hörte das Einhorn ein leises Piepsen. Es sah sich um und erblickte ein Mäuschen. Das sagte: "Ich will dir helfen den Schlüssel zu holen. Ich bin ganz klein und leicht und Arras wird bestimmt nicht merken, wenn ich auf seiner Brust krieche und vorsichtig das Lederband durchnage, an dem der Schlüssel hängt." Gesagt, getan! Das Mäuschen kroch auf das Drachenhautbett und von dort auf des Zauberers Brust. Langsam begann es zu nagen. Plötzlich öffnete Arras ein Auge. Die Maus und das Einhorn erstarrten. Aber das Auge schloss sich wieder und das Schnarchen begann von neuem. Das Mäuschen nagte flink das Band durch und das kleine Einhorn fing den Schlüssel geschickt mit seinem Horn auf, bevor er auf den Boden fiel. Beide verließen den Raum auf leisen Sohlen. In dem großen Saal angekommen, sagte das Einhorn: "Ich danke dir von ganzem Herzen, denn ohne dich hätte ich den Schlüssel sicher nicht bekommen." Das Mäuschen entgegnete: "Bitte nimm mich mit in deine Welt, denn hier ist es so trostlos, dass man eigentlich den ganzen Tag nur traurig ist." "Abgemacht" sagte das Einhorn, "steig auf meinen Rücken."

So kamen sie beide bei dem großen, roten Drachen an, der schon ungeduldig mit den Ketten rasselte, denn bisher war es noch niemanden gelungen, ihn zu befreien. "Nun macht schnell," sagte er: "steckt den Schlüssel in das Schloss an der Kette." Das Einhorn befreite den Drachen von der Kette, der vor Erleichterung erst einmal alle Glieder reckte. Dann nahm er den Schlüssel und steckte ihn in einen großen grauen Felsen drehte ihn herum und plötzlich war das dunkle Reich des Zauberers Arras verschwunden. Das kleine neugierige Einhorn und das Mäuschen standen auf der Wiese mit den vielen bunten Blumen. Von der schwarzen Rose war nichts mehr zu sehen. Ein großer roter Schmetterling schaukelte in der Sonne. Das Mäuschen verabschiedete sich von dem kleinen Einhorn. Es wollte nun eine buntes, fröhliches Leben führen und huschte durch die Wiese davon.

Aus dem nahen, sonnendurchfluteten Wald trat ein großes Einhorn. Das kleine Einhorn rannte auf seine Mutter zu und rief: "Mutter, ich will in Zukunft nicht mehr so wild sein und besser auf dich hören. Aber neugierig will ich bleiben, weil die Welt so groß und so bunt ist." Zärtlich stupste die Mutter ihr Kind an.

© Michael Gränitz - 5. Klasse Mittelschule Reinholdshain
Märchenwettbewerb Reinhardtsgrimma

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