Last Unicorn - 6

Szene: Auf den Zinnen über Haggards Türmen. Zwei Soldaten stehen Wache. Der erste (Haggard) ist langsamer und älter als der zweite (Prinz Lir).

HAGGARD:
Ein Mann... und zwei Frauen... kommen her.

LIR:
Das junge Mädchen, es sieht so seltsam aus. Wie eben zur Welt gekommen.

Szene: Das Haupttor des Schlosses. Die zwei Soldaten erwarten die drei Reisenden. Das blasse Mädchen hat Schmendricks Mantel um ihre Schultern gelegt.

HAGGARD:
Nennt euren Namen!

SCHMENDRICK:
Ich bin Schmendrick der Zauberer... das ist Molly Grue, meine Gehilfin und das... das ist... das hier ist... die Lady Amalthea. Wir bitten um Audienz bei König Haggard.

HAGGARD:
Gebt an: Was begehrt ihr von König Haggard?

SCHMENDRICK:
Gern, doch nur König Haggard persönlich.

Haggard geleitet sie in das Schloß und über eine dunkle Treppe hinab. Der Boden fängt plötzlich an zu beben und ein Brüllen ist zu hören. Lady Amalthea schreit auf.

ALMATHEA:
Was ist das?

LIR:
Oh nein, du brauchst keine Angst zu haben. Das ist nur der Stier.

Szene: Ein dunkler Raum mit nur einem Fenster und einem alten, steinernen Sitz an einem Ende.

HAGGARD:
Das ist König Haggards Thronsaal.

SCHMENDRICK:
Thronsaal? Das ist eine Zelle, eine Gruft. Bring uns zu König Haggard.

Haggard nimmt seinen Helm ab. Er hat ein graues Gesicht mit einem dünnen Bart.

HAGGARD:
Ich bin König Haggard. Das ist Prinz Lir, mein Sohn.

LIR:
Hi, nett euch kennenzulernen.

Haggard setzt sich auf den Thron.

HAGGARD:
Was begehrt ihr von mir?

SCHMENDRICK:
Wir wünschen Sir, in Ihre Dineste zu treten.

HAGGARD:
Ich brauche keine Diener.

SCHMENDRICK:
Oh, aber sicher doch einen Zauberer, Majestät. Eine hervorragende Köchin, äh...

HAGGARD:
Ich verliere mein Interesse an dir und das ist sehr gefährlich. Mein Hof besteht aus vier Männern in Waffen.

SCHMENDRICK:
Vier? Aber die höfischen Vergnügungen Sir, die Musik, der Klatsch, die Jagden, die Hofbälle und die großen Feste!

HAGGARD:
Das alles bedeutet mir nichts. Ich habe sie alle gekannt und sie haben mich nicht glücklich gemacht. Ich will nichts um mich herum, daß mich nicht glücklich macht. Außerdem habe ich schon einen Zauberer.

SCHMENDRICK (erstaunt):
Oh, einen Zauberer, oh. Wie heißt er?

HAGGARD:
Sein Name ist Mabruk. In seiner Zunft ist er bekannt als der Zauberer der Zauberer. Ich sehe keinen Grund, warum ich ihn ersetzen sollte durch einen dahergelaufenen, namenlosen Clown.

MOLLY GRUE:
Ich schon! Er kanns nicht. Dieser wunderbare Mabruk, er macht euch nicht glücklich.

SCHMENDRICK:
Molly, sei still!

HAGGARD:
Woher willst du das wissen?

MOLLY GRUE:
Man braucht Euch doch nur anzuschaun.

SCHMENDRICK:
Molly!

HAGGARD:
Hast du das gehört, Mabruk?

In einer Wolke aus Rauch erscheint ein alter Mann mit unerbittlichen Augen. Er trägt eine Krone und eine sternenbesetzte Robe.

MABRUK:
Was wünschen Eure Majestät von mir? Schmendrick, mein lieber Junge. Wie nett, dich hier zu sehen. (geht zu Schmendrick)

HAGGARD:
Er ist gekommen, um deinen Platz einzunehmen. Er ist jetzt mein Hofzauberer.

MOLLY GRUE (flüstert):
Siehst du?

SCHMENDRICK:
Pst!

MABRUK:
Der legendäre Schmendrick? Das glücklose Wunder? Wie ich sehe, belieben Eure Majestät neuerdings Kuriositäten zu sammeln. Aber...

HAGGARD:
Die Frau hat Recht. Ein Meistermagier hat mich nicht glücklich gemacht. Ich will sehen, was ein unfähiger erreichen kann. Du bist entlassen Mabruk.

MABRUK:
So leicht kann man sich eines Mabruks nicht entledigen...

Ein Wind erhebt sich im Raum. Lir stellt sich vor Amalthea, mit einer Hand auf seinem Schwert. Amalthea drängt sich an ihm Vorbei. Das Zeichen auf ihrer Stirn beginnt zu leuchten. Der Wind stirbt und der einzige Ton im Raum ist Mabruks Lachen.

LIR:
Komm schon mein Alterchen. Ich schreib dir dein Zeugnis aus.

MABRUK:
Haggard, um nichts in der Welt möchte ich an deiner Stelle sein. Du hast dein Verderben durch das Schloßtor hereingelassen, aber es wird dich nicht auf diesem Weg verlassen. Leb wohl, armer Haggard, leb wohl.

Er lacht und verschwindet auf dem selben Weg, wie er erschienen ist. Lady Amalthea schaut aus dem Fenster. Haggard geht zu ihr. Sie wendet sich zu ihm.

AMALTHEA:
Nicht!

HAGGARD:
Ich werde dich nicht anrühren! Was siehst du an?

AMALTHEA:
Das Meer.

HAGGARD:
Ah ja, das Meer ist immer gut. Es gibt nichts, was ich sehr lange anschauen kann, außer das Meer. (Er schaut in ihre Augen und sieht in ihnen ihren Wald, mit den Waldtieren in ihm.) Was ist mit deinen Augen? Warum kann ich mich nicht sehen in deinen Augen? (Amalthea antwortet nicht. Er wendet sich an Schmendrick.) Wer ist sie?

SCHMENDRICK:
Oh, Herr, Majestät. Die Lady Almathea ist meine Nichte.

HAGGARD:
Ich will wissen, wer sie ist.

LIR:
Vater, was macht das für einen Unterschied? Sie ist hier.

HAGGARD:
Diesmal hast du recht. Sie ist hier, sie sind alle hier. Und ob sie nun Verderben bedeuten oder nicht, ich werde sie mir eine Weile ansehen. (zu Amalthea) Du kannst kommen und gehen wie du willst. Meine Geheimnisse hüten sich selbst. Hüten sich auch die deinen? (geht ab)

LIR:
Ich weiß wo Stoff liegt, feiner Satin. Du könntest ein Kleid daraus machen. Bitte Lady, ich will Euch helfen. Was kann ich für Euch tun? Traut mir...

Song: In the Sea
Songszene: Amalthea schaut auf die See; Molly arbeitet als Küchenmädchen, sie wäscht Geschirr; Prinz Lir zieht aus, um gegen Drachen zu kämpfen und die eroberten Köpfe Amalthea zu präsentieren, die jedoch nicht sonderlich beeindruckt ist. Eine schwarz-weiße Katze mit einer Augenklappe holt sich einen von Schmendricks Jonglierbällen aus einem Zauberring und jagt ihm hinterher in die Küche.

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